Weltall
W E L T A L L – ein tolles Wort! Semantische Breite und epische Dimensionalität. Da kann man kurz drüber nachdenken:
Das Welt-All. Wohlan, das ist zunächst mal alles. Alle Welten und alles in diesen Welten bis hinunter zu den Elementarteilchen, alles was Welt ist. Vordergründig bezieht sich das auf den erfahrbaren Raum, tritt dieser uns nun real gegenüber oder mental, jedenfalls als Kognition. Und den Teil des Weltraums, den bisher nur irgendwelche Elektronenmikroskope und Radioteleskope für uns erfahren können (oder den wir nur berechnen können), nehmen wir gleich mit. Schön schön.
Wir können also alles assoziieren: Ewoks, Q, bunte Sternennebel, Cyberwesen, schnittige Raumschiffe, fremde Welten, auf denen Hamster Sportwetten abschließen und Miskäfer mittels Telekinese die Kloake des Universums verwalten usw.
Universum ist denn scheinbar die gültige Übersetzung von “Welt-All”. Aber je länger man über das WELT und das ALL im Weltall nachdenkt, klingt die Beschränkung auf den Raum zu eng. Außerdem haben wir dafür das Wort “Weltraum”. Welt-All hingegen hat ein Mehr oder ein Tiefer an Bedeutung, will ich meinen. Es ist nicht einfach identisch mit dem Kosmos. Auch fällt mir kein so schönes, treffliches Wort in anderen Sprachen ein. “Universum” kommt dem schon ziemlich nah: von lateinisch unus und verso, was soviel wie “in eins gekehrt/gestülpt” bedeutet. Da drängt sich die Assoziation an einen Kokon auf. Während indes das Universum Teile zusammen rauft, um sie in eins zu verfrachten, um sie unter einem Begriff zu fassen, klingt das Weltall wie eine Melodie statt wie ein Wort, ein Ton vielleicht, der sich mühelos auf alles dehnt, was die eine oder andere Form der Existenz erreicht.
Werfen wir einen Blick auf die Wortbestandteile des Welt-Alls:
“Welt”, vom Stamm her mit dem Alter verwandt, war zunächst als Menschenalter und irdisches Leben verfemt oder zumindest als Erdkreis und Schöpfung von christlich-eschatologischer Bedeutung dominiert, bevor das Wort mit den naturwissenschaftlichen Betrachtungsweisen dann geradezu einen universalistischen Hype erlebte: Unterwelt, Verweltlichung, weltfremd, Umwelt, Lebenswelt, Anderswelt, weltmännisch, weltgewandt, Innenwelt, Weltkrieg, Weltmeisterschaft . . .
Hinzu gelangt jetzt das “All” im Sinne von umfassend, ganz und komplett (etymologisch erwägt man übrigens nach meiner Quelle auch eine Verwandtschaft mit albern).
So. Und jetzt frag ich mich: Warum heißt es eigentlich “Welt-All” und nicht umgekehrt, also die “All-Welt”? Na? Wir sagen ja auch nicht “das Macht-All” sondern “die All-Macht”.
Ich kann freilich nur laienlinguistisch spekulieren, denke mir aber, daß im Welt-All nicht schlicht eine Summe aller Welten mitgedacht wird sondern der Plural lediglich implizit mitschwingt. Der Plural wird als Entität, als Gesamtheit schon gemeint. Und zwar im Wort “Welt”, nicht im “All”.
Aber das ist reichlich diffus; möglich, daß ein anderer Vergleich hilft: “Apfel-Mus” und “Mus-Apfel”. Der Mus-Apfel bezeichnet einen (sic!) zermatschten Apfel, das Apfel-Mus wiederum die Mus-Gesamtheit aus der Entität “Apfel”, wobei nicht spezifiziert werden muß, wieviele das sein mögen. Jetzt braucht man nur noch “Apfel” durch “Welt” und “Mus” durch “All” zu ersetzen: q.e.d. Das Welt-All ist unteilbar, und: das Macht-All gibt es eben nicht, wobei ich jetzt Gefahr laufe, ins Blasphemische abzudriften…
Tcha. Und was bleibt am Ende dieses gelehrigen Ejakulats? Bei langwierigerem Nachdenken zeigt sich das Weltall in unentwegter Dehnung (oder Entspannung), so wie das Universum. Man guckt und guckt und guckt – in ein leergeblicktes Vakuum? Ein Dunkel wie Sandpapier, durchdacht und zerrieben? In unserer Phantasie pigmentieren wir es wieder und dann haben wir ein Mandala, ein buntes, fragiles Ganzes. Vorhin assoziierten wir alles, jetzt eins.
Zur Rekapitulation: Weltall = alles = eins, erfreuen wir uns daran.