Salomes siebter Schleier

“Information über die Zeit lässt sich nicht einfach so vermitteln. Wie Möbel muss man sie abpolstern und auf die Seite kippen, damit sie durch die Tür passen. Wenn die Vergangenheit ein massives Eichenbuffet ist, dem man die Beine abschrauben und die Schubladen herausnehmen muss, bevor es in diesem veränderten Zustand durch die Pforten unseres Bewußtseins geschoben und aufgestellt werden kann, ist die Zukunft ein überdimensionales Wasserbett, das kaum eine Chance hat zu passen, vor allem dann nicht, wenn man es in einem Aufzug befördern will.”

Wer Lesen als ein Vergnügen betrachtet, bei dem Bilder im Kopf entstehen, der ist bei Tom Robbins genau richtig. Die Art und Weise wie der heute 74jährige Autor Bücher schreibt, ist bemerkenswert, weil sie mit Ideenreichtum, Wortwitz und Fantasie eine Explosion im Geiste des Lesers auslöst.

“Salomes siebter Schleier” ist ein Buch über Ellen Cherry und Boomer, die in einem Wohnmobil in Form eines Truthahns von Seattle nach New York fahren, unterwegs eine Dose Bohnen in Schweinefleisch, einen Löffel und eine stinkende Socke verlieren (Dose, Socke und Löffel verbrüdern sich später noch mit einem weissagenden Stock und einer magischen Muschel). Es handelt von religiösem Fanatismus, der Frage was Kunst und was ein Künstler ist und von der Sichtweise unbelebter Objekte auf die Welt. Ach ja, und außerdem geht es um die Geschichte, die auf dem Buchumschlag erwähnt wird: Ein Jude und ein Araber eröffnen gemeinsam ein Restaurant in New York.

Ist das nicht etwas viel? Nein. Am Ende von “Salomes siebter Schleier” hat man das Gefühl, dass dieser Roman Tom Robbins beststrukturierter ist. Wenn man auf Stringenz steht, kann man das als positiv bewerten. Nicht nur, dass die Geschichte, anders als in anderen Romanen des Autors, im großen und ganzen der Chronologie der Geschehnisse folgt, auch findet man immer wieder eines der stärksten Strukturierungsmittel überhaupt: die Polarität bzw. den Kontrast.

Tom Robbins ist ein Meister darin, in seinen Romanen beispielhaft vorzuführen, dass das Leben vor allem aus dessen Wahrnehmung besteht und dem Spaß, den man daraus ziehen kann.

Auf meiner Top-Tom-Robbins-Bücher-Liste würde ich diesen Roman auf Platz 3 setzen, nach “Völker dieser Welt relaxt” und “Panaroma”.

Die außerordentlich gut gelungene Übersetzung aus dem Amerikanischen stammt übrigens wieder einmal von Pociao. Vielen Dank, an dieser Stelle.

rororo; Auflage: 8 (2. Januar 1995)

Kommentare

Hab’s gelesen, fand’s genial gut.

— Sicaria · 25.09.15 · #